Brandschutz in Industriegebäuden: Warum eine raucharme Schicht notwendig ist
In der Musterbauordnung (MBO) ist eine Reihe von Schutzzielen definiert, die im Brandschutzkonzept berücksichtigt werden müssen. Diese Schutzziele stellen sicher, dass "der Entstehung und Ausbreitung von Rauch und Feuer (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind". Darüber hinaus gelten für nahezu alle Gebäude weitere Schutzziele, die oft zusätzliche Maßnahmen erforderlich machen. Dazu gehören zum Beispiel der Schutz von Sachwerten oder der Schutz gegen Betriebsausfälle. Qualifizierte Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA), die nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik projektiert, installiert und gewartet sind, stellen im Brandfall einen kontrollierten Rauchabzug sicher und gewährleisten damit den Schutz von Personen, Sachgütern und Gebäuden.
Bei richtiger Bemessung leiten RWAs die toxischen Zersetzungsprodukte zuverlässig nach außen ab. Natürliche Rauchabzugsanlagen (NRA) machen sich den physikalischen Effekt des thermischen Auftriebs zunutze: Beim Verbrennungsprozess steigt der heiße Rauch nach oben. Strömt in Bodennähe dann ausreichend Frischluft nach, bildet sich eine stabile raucharme Schicht. Maschinelle Rauchabzugsanlagen (MRA) hingegen ermöglichen die Entrauchung mit elektrisch betriebenen Brandgasventilatoren. Diese leiten eine konstante Luftmenge nach außen ab. MRA kommen meist zum Einsatz, wenn eine natürliche Entrauchung nicht möglich ist - in innenliegenden Räumen oder mehrstöckigen Industriegebäuden. Beide Systeme müssen nach Brandbeginn frühzeitig zur Verfügung stehen, damit sich bereits in der Brandentstehungsphase eine raucharme Schicht ausbilden kann. Nur dann ist eine ausreichende Sicht für Flucht- und Rettungsmaßnahmen sowie für den Löschangriff gewährleistet.
Natürliche und maschinelle Rauchabzugsanlagen unterliegen einer Zertifizierung nach DIN EN 121012. Bei regelmäßiger Überprüfung und Instandhaltung funktionieren NRA nach einer FVLR-Statistik in 99 Prozent der Fälle - und unterstützen damit die Bildung einer raucharmen Schicht.
Wenn ausschließlich das Schutzziel "Unterstützung des Löschangriffs" erfüllt werden muss und keine relevanten Abweichungen vom Baurecht vorliegen, erlaubt die aktuelle Fassung der Musterindustriebau-Richtlinie (MIndBauRL) auch den Einsatz unqualifizierter Öffnungen zur Rauchableitung. Da für diese Anlagen aber kein Verwendbarkeitsnachweis gefordert wird, ist ihre Funktionssicherheit im Brandfall weder vorhersagbar noch ausreichend. Weicht das Gebäude vom Baurecht ab oder sollen weitere Schutzziele erfüllt werden, reicht dieser Mindeststandard auch nicht aus. Hier ist es unabdingbar, qualifizierte und zertifizierte Rauchabzugsgeräte einzubauen und diese regelmäßig zu warten.
Außerhalb des Baurechts ist für eine objektspezifische Risikobewertung nicht nur die Wahrscheinlichkeit der Brandentstehung, sondern auch das potenzielle Schadenausmaß mit Bezug auf die besonderen Schutzziele zu betrachten. Jedes Brandereignis kann zu einer existenziellen Bedrohung industrieller und gewerblicher Unternehmen führen, denn auch kleinere Brände mit starker Rauchentwicklung können erhebliche Schäden verursachen. Eine Versicherung gegen Feuer und Betriebsunterbrechungen kann zwar den materiellen Schaden ausgleichen. Die nicht ersetzbaren Verluste, wie ein Rückgang der Marktanteile oder die Abwanderung bewährter Mitarbeiter oder treuer Kunden schädigen das Unternehmen jedoch nachhaltig. Damit ist eine ausreichend dimensionierte raucharme Schicht ein unverzichtbares Element des Brandschutzkonzeptes. |