Diese Veränderung der visuellen Umwelt liefert das Tageslicht ohne weiteres Zutun.
Während man früher erfolglos versuchte, die Dynamik des Tageslichtes möglichst vollkommen zu beseitigen, versucht man heute, diese
sogar künstlich nachzuvollziehen.
Noch einmal Weston:
"Befürworter des in Mode gekommenen Helligkeits-Engineering haben empfohlen, dass ideale visuelle Bedingungen dann herrschen, wenn eine
gleichförmige Helligkeit im Gesichtsfeld hergestellt wird. Es gibt nichts in der Physiologie, was diese Vorstellung unterstützt. (...)
Es gibt eine inhärente Eigenschaft der künstlichen Beleuchtung, die nicht anstrebenswert ist. Das ist ihre Konstanz - eine vielgelobte
Eigenschaft, von der behauptet wird, sie begründe die Überlegenheit der künstlichen Beleuchtung gegenüber der wechselhaften
natürlichen Beleuchtung. Jedoch, auch wenn Konstanthaltung von Bedingungen für einige kritische Sehaufgaben
anstrebenswert ist, Konstanz ist eine nervtötende und abstumpfende Eigenschaft der künstlichen Beleuchtung."
Westons Botschaft wurde aber sicher ein halbes Jahrhundert überhört.
Verhalten, Lernen und Leisten
Einer australischen Studie zufolge könnten Kinder durch tägliche
ausgedehnte Aufenthalte im Freien vor Kurzsichtigkeit bewahrt werden.
Das Wachstum der Augen werde reguliert, wenn die Augen täglich zwei
bis drei Stunden hellem Licht ausgesetzt sind, haben Forscher des
Australia Research Council herausgefunden. Damit werde das Risiko
für Kurzsichtigkeit dramatisch gesenkt.
Ausreichendes natürliches Tageslicht verbessert das Betragen
von Schulkindern, sowohl durch Erhöhung der Konzentration als
auch des Sozialverhaltens. Es wird berichtet, dass Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen
(Attention Deficit Disorder = ADD ) unter Tageslicht mehr
leisten als unter Neonlicht. Dies belegt eine Studie, die durch Messung
des Kortisolspiegels (ein Stresshormon) das Verhalten von Schulkindern
in tageslichtversorgten Klassenräumen in Schweden beobachtet
hat. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Arbeiten in Klassenräumen
ohne Tageslicht das grundsätzliche Hormonmuster umwirft, und
das wiederum beeinflusst die Fähigkeit der Schüler zu
Konzentration und Kooperation. Dies hat auch eine Auswirkung auf
das jährliche Körperwachstum und die krankheitsbedingten
Fehltage.
Ausreichendes natürliches Tageslicht, insbesondere von oben durch Dachoberlichter in die Räume geleitet, verbessert nach mehreren amerikanischen
Studien erheblich die Lernleistung von Kindern in der schulischen Ausbildung.
Auch eingehende Studien aus dem Arbeitsleben zeigen, dass sich an besser beleuchteten Arbeitsplätzen weniger Ermüdung einstellt und
dementsprechend die Fehlerquote rapide sinkt, während die Kurve der Arbeitsleistung steil nach oben steigt.
Die TU Ilmenau untersuchte die Leistungsabhängigkeit von der Beleuchtungsstärke an typischen Industriearbeitsplätzen mit neun bis
zwölf Versuchspersonen.
Das Ergebnis:
Für schwierige Sehaufgaben, wie das Zuschneiden von Werkstücken, erzeugen höhere Beleuchtungsstärken eine deutliche Steigerung der
Leistung. Diese erreicht beim Zuschneiden Werte über 150 %, wenn 600 Lux statt der vorgeschriebenen Nennbeleuchtungsstärke von 300 bis 500 Lux
realisiert werden.
Eine richtige Beleuchtung erleichtert also nicht nur den Arbeitstag, sondern hilft auch, mit weniger Fehlern mehr zu schaffen - ein wichtiger
ökonomischer Gesichtspunkt.
Investitionen in den "Produktivitätsfaktor"
Licht lohnen sich also immer !
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Kommunikation und Sehen
Das Tageslicht verbessert die Sehleistung, wobei die Sehleistung eine nicht hinreichend genau festgelegte Größe ist. In der Lichttechnik wird
darunter in der Regel das Erkennen von Formen bzw. Kontrasten verstanden. Das Sehsystem des Auges wird dabei hinsichtlich der Sehschärfe, der
Unterschieds- und Formempfindlichkeit, sowie der Wahrnehmungs- und Anpassungs-geschwindigkeit an die Entfernung beansprucht. Dabei hängen die Leistung
des Auges erheblich vom Leuchtdichtenniveau ab, das durch die "Intensität" der Beleuchtung auf das Sehobjekt bestimmt wird. Aus diesem Grund
beruhen die meisten lichttechnischen Vorgaben auf der Beleuchtungsstärke. Dies spiegelt sich auch in den Bestimmungen der Normen wieder. Allerdings hat dieses Vorgehen mehrere Nachteile:
- Die Beleuchtungsstärke als integrale Größe bestimmt die Leuchtdichte des beleuchteten Objektes nur dann, wenn es eben und vollkommen matt ist. Dies ist aber in der Lebens- und Arbeitsumwelt nicht der Normalfall. Wenn ein Sehobjekt keine matte Oberfläche hat, kann das Licht aus einer bestimmten Richtung die Wirkung des Lichtes aus einer anderen Richtung mindern oder sogar zunichte machen.
- Für die Berechnung der Beleuchtungsstärke ist es unerheblich, ob das Licht aus einer großen Fläche mit einer relativ geringen
Leuchtdichte (z. B. Oberlichtöffnung) einfällt oder aus einer kleinen Fläche mit entsprechend hoher Leuchtdichte (z. B. künstliche
Beleuchtung mit modernen energieeffizienten Lampen). Die Auswirkungen auf den Sehvorgang stellen sich aber gravierend dar: Die Gefahr einer Direkt- oder
einer Reflexblendung auf beleuchtete Objekte ist bei kleinen Lichtquellen hoher Leuchtdichte ungleich größer.
- Was unter dem Begriff Sehleistung gefasst wird, umfasst leider nicht das Farberkennen bzw. das Formenerkennen von körperlichen Objekten. Daher beruht die Erhöhung der Lichtausbeute moderner Energiesparlampen auf einem physikalischen Kunstgriff. Der Effekt wird nämlich zu einem erheblichen Teil mit einer Verschlechterung der Farbwiedergabe erkauft.
Was also landläufig als Sehleistung bezeichnet wird, stellt somit die Unterstützung einiger elementarer Funktionen des Auges dar, die teilweise zu Lasten anderer wichtiger Funktionen wie z. B. des Farberkennens geht. Will man eine Tageslicht- mit einer Kunstlichtinstallation üblicher Art realistisch vergleichen, muss man allein wegen der Berücksichtigung der Farbwiedergabeeigenschaften die Kosten für das Kunstlicht um etwa 60 Prozent höher ansetzen.
Und wenn man Dachoberlichter mit künstlicher Beleuchtung im Sinne der gesamten Leistungsfähigkeit des Auges einschließlich dem Erkennen von
Formen und der Reflexblendung vergleichen will, muss man in etwa ein Lux Tageslicht mit dem Aufwand für zwei Lux künstliches Licht gleichsetzen.
Überschläglich gerechnet erreicht man also bei Tageslicht die gleiche Sehleistung mit der Hälfte der Beleuchtungsstärke.
Wenn man noch dazu berücksichtigt, dass Licht immer mit einer unvermeidbaren Beigabe von Wärmestrahlung verbunden ist, über die man sich im Winter
sicherlich freut, die bei Tageslicht pro Lux gegenüber Kunstlicht wesentlich geringer ausfällt (ca. ein Drittel), wird die Überlegenheit
des Tageslichtes noch deutlicher.
Das bedeutet, dass die Beleuchtung mit Dachoberlichtern allein schon aufgrund der Sehleistung einer üblichen künstlichen Beleuchtung
überlegen ist.
Ausblick
Die bisherige "Lichttechnik" hat sich zu stark mit der Erkennbarkeit von Sehobjekten und Gegenständen und dem Wohlbefinden unter
künstlicher Beleuchtung beschäftigt.
Heute steht fest, dass der Lichtbedarf des Menschen damit nicht richtig eingeschätzt wurde. Der Einsatz von Sonnen- und Tageslicht muss deshalb wegen
seiner lebensfreundlichen und gesundheitsfördernden Wirkung stärker als bisher berücksichtigt werden.
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